WISSEN-KÖNNEN-WISSENSCHAFT

Ein FWF-Projekt unter der Leitung der Ao. Univ. Prof. Univ. Doz. Dr. Meta NIEDERKORN-BRUCK.

Mitarbeiterin: Mag. Andrea BOTTANOVÁ, MA.

 

Im Jahr 2015 wird die Universität Wien ihr 650tes Jubiläum feiern. Dies bietet eine ausgezeichnete Gelegenheit, ihr einzigartiges Profil unter anderen zentraleuropäischen Universitäten und ihre lange Tradition der Übertragung von Wissen von Lehrer an Schüler hervorzustreichen, welche bereits im Spätmittelalter begründet worden ist.

Deshalb wird es das Ziel dieses Projekts sein, die Kenntnis über die Universität Wien und ihre Entwicklung während des Spätmittelalters im Kontext ihrer politischen, kulturellen, sozialen und ökonomischen Netzwerke zu vertiefen, basierend meistens auf bisher nicht publizierten oder kaum ausgeschöpften Materialien - allen voran des Verwaltungsschriftguts, enthalten in Quellen wie etwa den Acta Rectoratus, Acta facultatis und den Büchern der vier Nationen, aber auch edierten Materialien, wie etwa den Matrikeln.

Zusätzliches Material außerhalb der Universität, vor allem Urkunden aus verschiedenen Wiener und anderen österreichischen Archiven, wird ebenfalls mit einbezogen, sowie die publizierten päpstlichen Schreiben. Der Vergleich mit anderen zentraleuropäischen Städten und Universitäten wird eine Grundlage zur Evaluierung der Wichtigkeit des akademischen Wissens dort und in Wien bieten und dabei helfen, weitere Fragen zu stellen und den Blick für die Besonderheiten von Wien zu schärfen. Er soll ebenfalls dazu beitragen, die Auswahl der für Wien relevanten Quellen auszuweiten.

Das Projekt wird sich hauptsächlich auf die Untersuchung der Beziehungen der Universität Wien zu anderen mitteleuropäischen Universitäten konzentrieren - und das sowohl auf institutioneller als auch auf personaler Ebene, wobei prosopographische Daten aller Art gesammelt, evaluiert und analysiert werden sollen. Vor allem die bisher wenig erforschten Gelehrten sollen unter die Lupe genommen werden. Um die gesammelten Daten besser verstehen zu können, müssen auch andere Netzwerke, deren Bestandteil die Universität Wien gewesen ist, in Betracht gezogen werden. Hierzu werden 3 Subsektionen dienen, die sich mit Beziehungen mit dem Herrscher/ mit den Herrschern, mit der Kirche und mit der Stadt (Wien) beschäftigen werden.

 

Die Universität und ihre europäischen Schwestern - Kommunikation und Wissenstransfer

Schon seit den Anfängen der höheren Bildung war es üblich, dass man dieser weit vom Geburtsort nachging. Für einen mittelalterlichen magister oder doctor war es ebenfalls durchaus üblich, dass er im Ausland lehrte. Selbst im 15. Jahrhundert, als es in Europa bereits mehr als 40 Universitäten gab, hat man es immer noch sehr oft auf sich genommen, weit zu reisen, um zu lehren und gelehrt zu werden. Viele besuchten mehr als eine oder unterrichteten auf mehr als einer Universität. Die Studenten taten dies, um eine bessere Bildung zu erlangen bzw. um dem Ruf eines berühmten Professors nachzufolgen - die Lehrer, um eine bessere Position  zu erreichen oder um politischen bzw. religiösen Wirren (z. B. Schisma, Hussitenkriege) zu entkommen. In den frühen Jahren der Wiener Universität hat sich die Majorität aller Lehrer außerhalb der habsburgischen Territorien rekrutiert - teilweise aus dem Heiligen Römischen Reich (wie z. B. Lambert Sluter von Geldern oder Gerhard Vischbeck von Osnabrück), Ungarn (z. B. Barnabas de Waradino, Christian von Siebenbürgen), Italien (z. B. Gian Galleazzo de Santa Sofia) oder England (z. B. Wilhelm von England). Die berühmtesten, unter ihnen  Heinrich von Langenstein und Heinrich von Oyta, lehrten davor  an anderen Universitäten des Heiligen Römischen Reiches, nämlich Paris und Prag. Laut der Universitätsmatrikel bildeten die Studenten aus dem Gebiet des heutigen Österreich im Mittelalter kaum ein Viertel aller  Studenten der Wiener Universität. Doch eine genaue Vergleichsstudie über Lehrer und Studenten der Wiener Universität, die aus dem „Ausland" stammten,  fehlt immer noch. Auf allen Ebenen der Interaktion wird die enge Verwobenheit zwischen Laien und Geistlichen deutlich; mitunter ist nicht eindeutig zu klären,  ob eine Karriere durch geistliche Netzwerke oder universitäre Bildung mehr befördert wird.

Das Projekt wird versuchen, diese Lücke zu füllen, indem außer den Matrikeln auch andere Quellen aus dem Umfeld der Wiener Universität, wie auch solcher aus dem Schnittfeld  zu Hof und Stadt, und Quellen anderer mitteleuropäischer Universitäten untersucht werden.