Christopher Treiblmayr: Konkordanzdemokraten? Die Österreichische Liga für Menschenrechte und die Zivilgesellschaft - Projektbeschreibung
- Projektleiter: o. Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Schmale
- Finanzierung: Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF)
- Laufzeit: 2008–2011
- Mitarbeit: Dr. Thomas Brendel
Trotz der beachtlichen Veränderungen, die sich seit den frühen 1970er Jahren durch die Aktivitäten von NGOs und zivilgesellschaftlichen Initiativen in der österreichischen Realpolitik vollzogen haben, lässt sich die österreichische Gesellschaft und politische Kultur noch immer als Konkordanzdemokratie begreifen. Verglichen mit anderen europäischen Demokratien sind zivilgesellschaftliche Strukturen in Österreich wenig ausgebildet. Vor diesem Hintergrund dokumentiert das Projekt die Geschichte und Aktivitäten der ältesten österreichischen Menschenrechtsorganisation: der 1926 gegründeten Österreichischen Liga für Menschenrechte (ÖLfM). Dabei wird der Frage nachgegangen, ob die ÖLfM in ihren verschiedenen Aktionsfeldern als eine spezifisch österreichische, „konkordanzdemokratische“ Vereinigung oder als transnational agierender, selbstorganisierter Teil der Zivilgesellschaft fungierte. Da die Arbeit von Menschenrechtsorganisationen und NGOs im allgemeinen und die ÖLfM im besonderen bis dato kaum erforscht ist, wird damit ein wichtiges Desiderat der historischen und politikwissenschaftlichen Forschung erfüllt.
Inhaltliche Themenschwerpunkte des Projekts stellen die Personen- und Organisationsstruktur der Liga, Pädagogik, Bildung, Menschenrechtserziehung (etwa auch in gesellschaftlichen Fragen wie Homosexualität), Information, internationale und nationale Kooperation in Friedensinitiativen, Rechts- und Sozialhilfe, Volksgruppen und Minderheiten in Österreich, Kulturaktivitäten sowie Frauenrechte dar. Diese Themenfelder orientieren sich an den Leitmotiven der ÖLfM.
Für die Forschungsarbeit über die Zeit nach 1945 sind ZeitzeugInnen-Interviews und das sehr detailliert geführte Archiv der ÖLfM in Wien von Relevanz. Das Archiv erlaubt es, die Geschichte der Liga vom Zeitpunkt ihrer Wiedergründung (1945) bis heute nahezu lückenlos zu erschließen.
Die bis dato weitgehend unerforschte Geschichte der ÖLfM von ihrer Gründung bis zu ihrer Selbstauflösung 1938 lässt sich dagegen nicht über das Liga-Archiv rekonstruieren. Daher ist es notwendig, Korrespondenzen und Nachlässe der Liga-Vorstandsmitglieder der Ersten Republik in weiteren Archiven in Wien sowie Graz, Innsbruck und vor allem Moskau auszuwerten. Im dortigen „Sonderarchiv“ des KGB beim Staatlichen Militärarchiv Moskau lagern jene so genannten Beuteakten, die 1938 von den NS-Organen beschlagnahmt und dann von der Roten Armee nach Moskau geschafft wurden.
For an English project documentation, see: http://www.liga.or.at