Fragen und Probleme frühmittelalterlicher Archivpraxis
- Autor(en)
- Adelheid Krah
- Abstrakt
Der Beitrag basiert auf meinem auf der Tagung anlässlich des 100. Geburtstages von Heinrich Fichtenau am Institut für österreichische Geschichtsforschung am 14, Dezember 2012 gehalten Vortrag. Er ist dem Problem der Kontinuität der Archivpraxis des 6.-9. Jahrhunderts gewidmet. Dieses Thema wurde bisher kaum behandelt. Ansätze finden sich bei Goldinger (1953), Fichtenau (1972/77) und Classen (1977). – Die spätantike Verwaltungstätigkeit wurde nach dem Untergang des römischen Reiches in den geistlichen Zentren der Bischofsstädte weiterhin praktiziert, wo auch die Dokumente in an die Kirchen angrenzenden Räumen aufbewahrt waren. Einen wichtigen Hinweis hierzu enthält Novelle 74 der Gesetzgebung Kaiser Justinians aus dem Jahr 538. Durch den Glaubenswechsel und Rombezug des westlichen Imperiums übernahmen hier die geistlichen Zentren sukzessiv die gesamte Verwaltungstätigkeit und Archivierung der Dokumente (gesta municipalia). Dies ist für das merowingisch-fränkische Gallien in einigen, noch erhaltenen Texten überliefert, die Barbier (2014) analysiert hat.
Das Verwaltungsschriftgut wurde in den Sakristeien der Kirchen aufbewahrt. Diese Handhabung bestand unter den Karolingern an den Bischofssitzen weiter und wurde auch in den Reichsklöstern praktiziert. Diese Archive enthielten Besitztransaktionen, Testamente, Traditionen und anderes Verwaltungsschriftgut ebenso wie Gesetzestexte des weltlichen und kanonischen Rechts; daneben wurden liturgische und theologisch-exegetische Werken aufbewahrt, welche später die Räume der karolingischen Bibliotheken füllten. Erweiterungsbauten sakraler Archive sind beispielsweise für die Bischofskirche von Reims und das Kloster Fontenelle in Nordfrankreich überliefert. Diese Form der Archivpraxis fand im gesamten karolingischen Frankenreich Verbreitung und wurde auch von der bischöflichen Kanzlei in Freising übernommen.- Organisation(en)
- Institut für Geschichte
- Journal
- Archivalische Zeitschrift
- Band
- 95
- Seiten
- 191-210
- ISSN
- 0003-9497
- Publikationsdatum
- 2018
- Peer-reviewed
- Ja
- ÖFOS 2012
- 601012 Mittelalterliche Geschichte, 601009 Historische Hilfswissenschaften, 603211 Kirchengeschichte
- Schlagwörter
- Link zum Portal
- https://ucrisportal.univie.ac.at/de/publications/29860430-194b-4bc3-8b8f-804e9a420b9b